EQUINE EMPATHY ESSENTIALS
key to equestrian perfection


WISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG ZUR GESCHICHTE  DER FRAU IM SATTEL
KLASSISCHE DRESSUR
DAMENSATTEL


Administration

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2023-11-01

Literaturempfehlungen … für den Anfang ;-) (November 2023)

Das Internet und die sozialen Netzwerke machen es heute möglich, sich zu jedem Thema Meinungen einzuholen. Ob diese Meinungen dann auch auf echtem Fachwissen beruhen, wird selten belegt. Daher macht es als Reiter und Pferdebesitzer Sinn auch ein paar wirklich fundierte Fachbücher im Schrank zu haben. Ich habe Euch daher ein paar Literaturempfehlungen zusammengestellt, auf die ich selber regelmäßig zurückgreife und die ich Euch wirklich ans Herz legen möchte. Es handelt sich dabei entweder um Bücher, die gesammeltes und fundiertes Wissen zusammenfassen oder die zur Zeit ihrer Niederschrift neue Perspektiven eröffneten und deren Inhalte mittlerweile allgemein anerkannt sind.

1) Wilhelm Müseler, Reitlehre, Müller-Rüschlikon, Cham (Schweiz) 1933/2005.
Allein der Umstand, dass es bisher 47 Auflagen der Reitlehre gibt, verrät, dass dieses Buch schon vielen Reitergenerationen das Verständnis für die Grundlagen pferdegerechten Reitens und korrekter Hilfengebung vermittelt hat. Die 47. Auflage wurde 2005 von Kurd Albrecht von Ziegner überarbeitet und enthält Geleitworte von Ingrid Klimke und Klaus Balkenhol. Es gehört eigentlich in den Bücherschrank jedes Reiters.
Kritik: Es ist hier immer wieder vom Gehorsam des Pferdes die Rede. Eine Formulierung, die ich persönlich nicht mag. Das ist aber der Sprache der Zeit geschuldet. Wenn einer im Sinne des Pferdes schreibt, dann Müseler. Er geht halt davon aus, dass der Reiter seine Verantwortung dem Pferd gegenüber sehr ernst nimmt und Gehorsam nicht mißbräuchlich verlangt.

2) Richtlinien für Reiten und Fahren Band I (Grundausbildung für Reiter und Pferd) und II (Ausbildung für Fortgeschrittene), ggf. IV (Haltung, Fütterung, Gesundheit und Zucht) und VI (Longieren), Deutsche Reiterliche Vereinigung (Hrsg.), FN-Verlag, Warendorf 2023, 2020 (II), 2021 (IV), 2022(VI).
Es ist wahrscheinlich vielen nicht bewusst, dass die Richtlinien aus der HDV12, der Heeresdienstvorschrift von 1912 hervorgegangen sind, die wiederum auf Steinbrechts Gymnasium des Pferdes basiert und, dass sie ständig überarbeitet werden. Sie sind keine Reitlehre, aber da steht alles wichtig drin, was man wissen muss, – und zwar nicht, weil die FN das so beschlossen hat, sondern weil hier gesammeltes Wissen immer wieder aktualisiert und verfeinert formuliert wird.
Kritik: Auch in den Richtlinien finden sich gelegentlich Gewichtungen oder Formulierungen, über die man diskutieren kann. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass das Ausarbeiten solcher Texte ein komplexer und nie endender Prozess ist.
Was ich persönlich absolut problematisch finde, ist, dass irgendwann in den späten 1980-er oder frühen 1990-er Jahren ein Themenbereich im zweiten Band der Richtlinien ersatzlos gestrichen wurde. Die Ausgabe von 1984 erhält noch ein umfangreiches Kapitel „Aus der Geschichte der Reitkunst“. Hier wird deutlich gemacht, dass das, was heute in den Richtlinien steht, das Resultat einer fließenden historischen Entwicklung ist. Xenophon, Grisone, Löhneysen, Pluvinel, Newcastle, de la Guérinière, Prizelius, von Seydlitz, Hünersdorf, Seeger, Weyrother, Steinbrecht und Caprilli sind nur einige der namentlich genannten Koryphäen, die einen Beitrag zur Entwicklung der klassischen Reitlehre geleistet haben.*
Nicht jeder (Berufs-)Reiter hat das Bedürfnis in die Tiefen der hippologischen Literatur einzutauchen – aber so wusste man zumindest, dass es das gibt und konnte sich bei wachsendem Interesse schlau machen. Stattdessen haben wir heute eine Spaltung in verschiedene Lager, die sich auf vermeintlich unterschiedliche Lehren beziehen (siehe unten: Seunig).

3) Susanne von Dietze, Balance in der Bewegung, FN-Verlag, Warendorf 1993.
Meine Sitzbibel – unbedingt lesen.

4) Stefan Stammer, Das Pferd in positiver Spannung, FN-Verlag, Warendorf 2015.
Meine Biomechanik-Bibel – unbedingt lesen, wenn man wissen möchte, was man seinem Pferd antut, wenn man sich auf seinen Rücken schwingt. Das erste Kapitel beginnt mit einem Zitat von Erich Glahn (Reitkunst am Scheideweg, 1956): „Die vornehmste Aufgabe des Richters ist es, den Schenkelgänger von Rückengänger zu trennen.“ Wunderbar…

5) Waldemar Seunig, Von der Koppel bis zur Kapriole, Verlag Sankt Georg, Berlin 1943.
Das Buch erwähne ich weniger oft wie die anderen, weil es einer gewissen Vorbildung (siehe oben: Müseler) bedarf, damit einem nicht der Kopf schwirrt. Hier geht es wirklich um die Reitkunst und das Buch belegt, wie fließend der Übergang von der Kampagnepferd-Ausbildung zur Hohen Schule ist. In der Tradition der barocken Autoren hat Seunig auch den „körperlichen und seelischen Eigenschaften des Reiters“ sowie der „Reitersitte“– also den Benimmregeln einige Kapitel gewidmet. Eigenschaften und Regeln, auf die heute wenig Augenmerk gelegt wird, die aber die Qualität der Reiterei maßgeblich beeinflussen.
Kritik: Keine, außer, dass ich Seunig verüble, dass er in einem anderen Buch (Marginalien zu Pferd und Reiter, 1961) den Damensattel niedermacht, ohne zu berücksichtigen, dass keine gute (!) Reiterin seiner Generation so gesattelt hätte oder geritten wäre, wie er es anprangert.

Das ist wirklich nur eine winzig kleine Auswahl von Büchern, die es lohnt, sie zum Nachschlagen im Schrank stehen zu haben… Vielleicht der Anfang einer kleinen hippologischen Bibliothek?

Bettina Keil-Steentjes, November 2023

* (dieses Kapitel habe ich als Scan hier auf der Website hinterlegt unter Knowledge - Klassische Dressur)

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